Heil Twittler!

Unsere Kolumnistin ist schon lange in den sozialen Medien aktiv. Jetzt plant sie den Rückzug aus dem Reich der Trump-Kumpel und AfD-Fans.
Wie vielen geht es gerade wie mir? Jahrelang schreibt man Gedanken ins Netz und verknüpft sich digital mit anderen, etwa auf Twitter. Plötzlich kommt ein Typ namens Elon Musk und degradiert diese Plattform zu X. Derselbe Musk hebt im Januar 2025 bei der Amtseinführung von Donald Trump den rechten Arm. Die einen sagen: Hitlergruß. Die anderen sagen: weiches Herz. Eine Debatte aus der Vorhölle.
Das Projekt der Trumpisten trug den Namen “2025”. Nichts war dem Zufall überlassen, alles hat sich erfüllt. Ich aber will nicht von Autoritären regiert werden, die Hand in Hand mit rechten Silicon-Valley-Broligarchen gehen. Das Projekt der AfD nennt sich “2029”. Wer sieht, wie ihre internationale Vernetzung voranschreitet, kann in den sozialen Medien nicht weitermachen wie bisher. Man würde damit zur Aushöhlung der deutschen Demokratie beitragen.
Musk wurde nun in Kinoleinwandgröße zu einer AfD-Veranstaltung geschaltet, und er propagierte, wovon Rechtsextreme seit Jahrzehnten träumen: Sie sollten sich vom Erinnern an den Holocaust ihr Deutschsein nicht madig machen lassen. Die deutsche Geschichte ohne Holocaust sei doch großartig. Im Saal tosender Applaus. Geistig ist Musk eng verwandt mit dem “Vogelschiss”-Gauland. Und das alles rund um den 80. Jahrestag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus.
Ist das noch die Mitte?
Friedrich Merz bereitet derweil keinen AfD-Verbotsantrag vor, sondern ein Papier gegen illegale Einwanderung. Einige seriöse Journalisten schreiben, das sei ein Papier der Mitte. Da frage ich mich: Wo ist in Deutschland im Moment die Mitte?
Ich will lernen, mich von diesen Plattformen zu lösen, die über viele Jahre meinen Nachrichtenkonsum geprägt haben. Auf X bin ich inzwischen überwiegend nur noch Beobachterin, erschrocken darüber, wie viele Politiker bleiben. Sie begründen das damit, die Bürger abholen zu wollen. Dabei sind die Bürger nur anwesend, weil sie dort die Politiker, Journalisten und Influencer ihres Vertrauens finden. Schluss mit diesen toxischen, digitalen Räumen, es müssen neue Informationsgewohnheiten her! Schwierig, ja, aber machbar.
Meta-Chef Mark Zuckerberg wird auf Instagram den Faktencheck einstellen und politische Inhalte runter-fahren – nur bestimmte politische Inhalte, versteht sich. Unvergessen der siegestrunkene Nigel Farage und dessen Dankesrede an Zuckerberg: Ohne Facebook hätte es den Brexit nie gegeben! Mein Traum? Diesem rechten Silicon-Valley-Clan zumindest bei uns in Europa den Stecker zu ziehen. Bluesky kann eine wachsende Alternative sein, aber weiß ich, wer die in einigen Jahren kauft?
Mehr Social-Media-Autonomie
Selbst ist die Frau, denke ich also. Nach Elons Hitlergruß habe ich in einem Schminkvideo (damit trickste ich den politikfeindlichen Algorithmus aus) auf Instagram verkündet, eine Newsletter-Community aufzubauen. Die Vernetzung mit Interessierten soll über meine Homepage laufen, ich behalte die Kontrolle. Ich will meine Autonomie zurückerobern. Menschen, die nicht mehr im Reich der Tech-Bosse sein wollen, will ich die Möglichkeit geben, vernetzt zu bleiben, sich zu informieren, eine gewisse Nähe zu finden, ohne dass sie die Handlanger der Autoritären bereichern. Davon träume ich.
Zerstörung gelingt schneller, als man denkt. Wann wird gehandelt? Ich versuche, meinen kleinen Beitrag zu leisten. Die Frage ist, wann Politiker folgen und wie sie unsere Demokratien vor dieser digitalen Verwahrlosung schützen wollen. Und zwar jetzt.