Column

Glückwunsch, Deutschland!

Elon Musk musste lernen, dass wir nicht die USA sind.

Wir Deutschen sind zum Glück nicht so blöd, dass wir uns von Elon Musk sagen lassen, wen wir zu wählen haben. Doch es war knapp. Dieser Kurzwahlkampf, der nur auf Ressentiments und nicht auf Lösungen setzte, hätte schlimmer ausgehen können. Musk twitterte fast schon im Stundentakt Deutschlandfahnen mit AfD-Empfehlung, und vor dem Wahlsonntag empfahl er noch eine Rede von Björn Höcke. Rund 20 Prozent Ultrarechte im deutschen Parlament heißt das – es hätte schlimmer ausgehen können für Deutschland, angesichts des Großangriffs auf die Demokratie.

Die vergangenen Wochen haben mir Angst gemacht. Aber einige Phänomene stimmen mich optimistisch. Es gibt immerhin einige gute Nachrichten: Ich fange mit Ex-Finanzminister Christian Lindner an. Es geht ein Seufzer durch alle freiheitsliebenden Menschen in diesem Land. Die FDP musste raus, damit Lindner gehen kann und das Liberale in diesem Land bessere Anwälte bekommt. Noch am Wahlabend musste er sich in typischer Lindner-Manier, also voll des Selbstlobs, von seinem Bleifuß auf der Schuldenbremse verabschieden. Er habe sich für Deutschland aufgeopfert – vermutlich will er als Märtyrer in die FDP-Geschichte eingehen.

Jetzt ist Platz für die eigentlich klugen Köpfe in der zweiten Reihe, die hoffentlich an einem Verständnis von liberal arbeiten werden, das zeitgemäß ist. Auch das Sozialliberale des verstorbenen Gerhart Baum könnte wieder aufleben.

Die Jugend will Gerechtigkeit

Das Ergebnis der Linken wiederum lehrt uns jetzt: Demokratien bewegen sich schnell. Vor wenigen Wochen lag die Partei klar unter fünf Prozent, und eine antifaschistische Rede, gepaart mit vielen Bürgergesprächen über die wirklichen Abstiegsängste, bringen sie fast auf neun Prozent. Trotz ihrer außenpolitischen Linie, trotz ihrer Vergangenheit. Heidi Reichinnek zeigt, dass Deutschland die großen sozialen Fragen wieder diskutieren kann: Unter den Jüngeren wählten viele links. Ob man die Linke nun mag oder nicht – dass die Jugend wieder Gerechtigkeit will, ist ein Schneeglöckchen in diesem immer frostiger werdenden Land.

Die nächste gute Nachricht: Soziale Medien sind mächtig, aber nicht allmächtig. Der genaue Wert von Elon Musks Kampagne für Alice Weidel und die AfD lässt sich kaum beziffern, aber am liebsten möchte ich ihm den eleganten Mittelfinger zeigen. Deutschland ist nicht die USA, dear Elon. Die Mehrheit der Bürger hier hat noch ihren eigenen Kopf. Die AfD ließ sich nicht, wie Trump, zur stärksten Kraft hieven – und das, obwohl Deutschland in einer Wirtschaftskrise steckt und viele Bürger Wut empfinden, die leicht zu kanalisieren wäre.

Ich frage mich, was gewesen wäre, wenn Merz einen anständigen Wahlkampf geführt hätte, statt, wie Alice Weidel sagte, von der AfD abzuschreiben. Er hätte auf das Vertrauen in der Mitte setzen können und sollen, aber gut, ich will lieber weiter erklären, warum wir auch mal gut sind, trotz allem.

Deutschland ist nicht Twitter. Wir haben eine starke analoge Demokratie bundesweit, von der die USA nur träumen können. Auch deshalb wollen Rechtsextreme jetzt an Kunst und Kultur und die Zivilgesellschaft ran. Die autoritären Kräfte und die Broligarchen haben alles gegeben, doch haben die meisten in Deutschland so gewählt, dass wir noch vier Jahre Zeit haben, uns klüger aufzustellen als die radikalen Rechten, die von der großen Übernahme im Jahr 2029 träumen. Glückwunsch, Deutschland, nutz deine Chance.